ZEITGENÖSSISCHE
WOHNBAUARCHITEKTUR IN WIEN, KRAKAU UND GRAZ. BESTANDSAUFNAHME UND ERKENNBARE
GEMEINSAMKEITEN
Rafa³ BARYCZ
Das Schicksal von Krakau war über 100 Jahre mit der Geschichte Österreichs verflochten. Die Tatsache, dass Krakau ein Teil der Habsburger Monarchie war, prägte das Stadtbild in den Bereichen Kunst, Sitten, materielle Kultur, Architektur und in der städtebaulichen Ordnung. Weist die zeitgenössische Wohnbauarchitektur von Krakau gemeinsame Tendenzen mit den zwei führenden österreichischen Architekturzentren Wien und Graz auf? Kann moderne Krakauer Architektur aus den österreichischen Erfahrungen schöpfen? Das sind die Fragen, die vom Autor in diesem Beitrag erörtert werden.
Geschichtlicher Hintergrund
Das moderne Krakau entstand in der Zeit der K. u. K. Monarchie, daher
ähnelt seine städtebauliche Entwicklung den anderen K. u. K. Metropolen
. Das ringförmig konzentrierte Stadtbild von Krakau zeigt gewisse Ähnlichkeiten
mit der aus der sog. "Gründerzeit" stammenden städtebaulichen
Struktur Wiens und großen Bauplänen von Franz Joseph I. und Karl Lueger.
Die Umgestaltung der Krakauer Grünanlage um die Altstadt herum (Planty)
findet ihre Entsprechung in der Ausführung der Wiener Ringstraße; ähnlich
wie die Planty von Józef Dietl, war es der Ring in Wien. Die intensive
Bebauung des Krakauer Zentrums, in der Epoche der sog. Galizischen Autonomie
1866-1914, prägte dauerhaft sein Bild, das bis heute erhalten geblieben
ist. Seit Anfang der 70-er Jahre des 19. Jahrhunderts war Wien Studienort
der künftigen Krakauer Architekten. An der Fakultät für Architektur
der Technischen Hochschule studierten u.a. W³adys³aw Ekielski, Zygmunt
Hendel, Henryk Lindquist, Józef Pokutyñski, W³adys³aw Rausz, Ignacy
Sowiñski, Abraham Samuel Siódmak, Jan Kacper Wdowiszewski und Jan Zawiejski.
Von dieser Wiener Hochschule kamen 1866-1918 über fünfzig Studenten,
die später beruflich mit Krakau verbunden waren.
Die architektonischen Gemeinsamkeiten zwischen Krakau und Wien waren
vielseitig. Es kam auch vor, dass Krakauer Architekten nach Wien umzogen,
um dort ihre Karriere fortzusetzen. Jan Zawiejski, berühmt nach der
Eröffnung des Stadttheaters, ging 1885 nach Wien, wo er ein Architekturatelieur
eröffnete.
Die unmittelbare Tätigkeit der Wiener Architekten in Krakau machte sich
besonders ab 1846, in der kurzen Zeit nach der Einverleibung der Republik
Krakau in die Habsburger Monarchie, bemerkbar. Mit der Entstehung des
heimischen architektonischen Milieus verringerte sich allmählich die
Bedeutung der Wiener Architekten im privaten Baugeschehen. Ihre Vorherrschaft
bei großen öffentlichen Aufträgen dauerte noch lange an .
In Krakau verbreiteten sich dank der österreichischen Verwaltung, insbesondere
bei öffentlichen Einrichtungen, die in Wien populären Architektur- und
Baumuster . Die österreichischen Rechtsvorschriften z.B. das Baurecht,
die staatlichen Gesetze für Krakau von 1906, übten einen unmittelbaren
Einfluss auf die Gestaltung und Richtlinien der Bautätigkeit in Krakau
aus. Im Hinblick auf einen drohenden Krieg mit Russland wurde der Spitalsbau
mit staatlicher Unterstützung in Schwung gebracht. So entstanden Krankenhäuser
und Kliniken entlang der Kopernik Straße, das Jüdische Krankenhaus in
der Skawiñska Straße und neue Pavillons des St. Lazarus Spitals. Der
mächtigste Investor für diese Vorhaben war die Militärverwaltung . Zur
Belebung der Bautätigkeit trugen die österreichischen Finanzinstitutionen
wie die Hypobank und die Österreichisch-Ungarische Bank, deren Filiale
1864 in Krakau eröffnet wurde, bei.
Zielsetzung
In der gegenwärtigen modernen Wohnbauarchitektur von Wien, Krakau und
Graz gibt es zwar keine unmittelbaren Verbindungen und Einflüsse, welche
wir aus der Geschichte kennen, doch die Grenzen überschreitenden Architekturideen
und ihre global identen Aufgaben ermöglichen einen Vergleich der Errungenschaften
dieser Zentren . Der vorliegende Beitrag stellt eine kurze Skizze der
wesentlichen Eigenschaften der Wohnbauarchitektur dieser Städte dar.
An den ausgewählten, charakteristischen Beispielen wird hier versucht,
die geforderten Maßnahmen zu schildern, die die Entwicklung des kreativen
architektonischen Schaffens begünstigen und einer Verbesserung der Infrastruktur
dienen.
Wiener Architekturszene
Eine wichtige Errungenschaft der Wiener Architektur der letzten Jahre
scheint das Einbeziehen von Hightech bei der mobilen Gestaltung der
Wände von Wohnhäusern zu sein. Diese Idee war in der europäischen Architektur
schon früher bekannt, bezog sich aber ausschließlich auf die mit hohen
Budgetmitteln errichteten öffentlichen Gebäude, Industrie- und Handelsobjekte.
Als Vorläufer dieses Konzepts gilt der deutsche Architekt Egon Eiermann,
der die mobilen Elemente brise-soleil einführte z.B. in Bauten wie die
Versandzentrale der Firma Josef Neckermann KG in Frankfurt am Main,
das Botschaftsgebäude der Bundesrepublik Deutschland in Washington und
das Empfangsgebäude des Bundestags in Bonn.
Leichte, vor übermäßiger Sonnenbestrahlung schützende Stahlpaneelkonstruktionen
wurden in einem, nach Entwurf von Helmut Wimmer und Eva Reichl, errichteten
Mehrfamilienhaus in der Brünnerstraße, Wien-Floridsdorf, (Abb. 1) sowie
im Wohnhaus an der Kreuzung der Frauenfelderstraße und Kainzgasse in
Hernals von Dieter Henke und Martha Schreieck (Abb. 2) verwendet.
Wenn im traditionellen Wohnbau der Raum durch eine Wand mit Fensteröffnungen
abgegrenzt wird, nimmt hier der Raumteiler die Form einer mehrschichtigen
Membrane aus Schiebeglaswänden, Loggien, Veranden, Außenjalousien, und
über die ganze Geschosshöhe verglasten Fenstern an. Je nach Eigenbedarf
dürfen die Bewohner die entsprechenden Raumteiler auswählen, den Raum
beleuchten, verdunkeln oder ihn um den Loggiabereich vergrößern. Die
mobilen Elemente können den Wünschen entsprechend angeordnet werden,
wodurch man den eigenen Lebensraum individuell gestaltet. Architektur
ist somit keine endgültige Form, sie wird ständig durch verschiedene
Nutzung neuinterpretiert und neuentdeckt. Diese Vielfalt der Wohnformen
findet ihren natürlichen Ausdruck in der Fassadengestaltung, die das
Verhalten der Bewohner widerspiegelt. Die Fassade nimmt eine je nach
Tages- oder Jahreszeit sich ändernde Gestalt von unbegrenzter Variantenzahl
an. Die horizontalen Lichtschutzwände und die filigrane tragende Konstruktion
bilden eine feine Ornamentik beider Gebäude.
Die Anwendung von mobilen Raumteilern ermöglicht den Wiener Architekten
die Errichtung von Gebäuden, die eine Kontinuität von definierten und
undefinierten Elementen darstellt sowie eine ständige Teilnahme der
Bewohner zulässt. Es entsteht eine quasi "Verbindung" zwischen
den Bewohnern und dem Stadtraum.
Die Quintessenz der Hightech-Architektur ist die Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten
von Glas als Abschirm- bzw. Konstruktionsmaterial. In der Brunner Straße,
Wien-Liesing, wurde eine Wohnanlage nach einem Entwurf von Helmut Richter
gebaut . Das Gebäude stellt einen Galerietyp dar. Die Galerien bilden
eine vor Straßenlärm schützende Pufferzone und dienen als eine autonome
tragende Konstruktion als Schallschutz in Form von großen, an der Fassade
heterogener Struktur angebrachten Glastafeln. In dieser Wohnanlage findet
Glas zum ersten Mal eine breitere Verwendung im Genossenschaftswohnbau,
wo es traditionell besonders schwierig ist, angesichts der Forderung
nach möglichst niedrigen Baukosten, ein kreatives Design zu erreichen.
(Abb. 3)
Der gegenwärtige Wiener Wohnbau hegt große Hoffnungen durch die Errichtung
solcher Kommunikationsgalerien die nachbarschaftlichen Kontakte neu
zu beleben. Eine der Grazer Lösungen geht so weit, dass diese Galerien
direkt an Wohnzimmer angeschlossen werden.
Grazer Architekturszene
In der Grazer Wiener Straße errichtete man ein Studentenwohnhaus der
Stiftung Wirtschaftshilfe für Studenten Steiermark (WIST) nach einem
Entwurf von Klaus Kada. Das nicht alltägliche Studentenheim bricht die
bisherige architektonische Konvention des sogenannten "vorübergehenden
Wohnens". So gelang es dem Architekten der Falle auszuweichen,
die die geschlossenen Bauräume und die langen, anonymen Korridore bilden.
Den Bewohnern stehen Balkons, Terrassen und äußere Treppen zur Verfügung,
wo sie ihre Aktivitäten im Freien entfalten können, wodurch das Gebäude
einen integrativen Charakter besitzt. Das trägt zu öffentlicher Aktivierung
des Heimes bei. Für diesen humanen Aspekt der Architektur scheint die
Grazer Schule besonders sensibel zu sein. (Abb. 4)
Das Gestaltungsprinzip der 48 Wohnungen für 224 Studenten beruht auf
der Verbindung der gemeinschaftlichen Räume und der privaten Zimmer
miteinander. Auf diese Weise entsteht sui generis ein "Haus im
Haus". Jede der Wohnungen besteht aus Räumen zum Lernen und zum
Schlafen mit einem angeschlossenen Sanitärbereich. Diese Zimmer werden
zu viert oder sechst in zweigeschossige Appartements mit einem großräumigen
Essraum und "living-room" (Wohnzimmer) zusammengefügt. Diesem
Bereich wird von der Frontfassadenseite eine Kommunikationsgalerie mit
einer Terrasse und einem sog. Sommersalon angeschlossen .
Die Architektur des WIST-Hauses wird durch Vieldeutigkeit der Beziehungen
charakterisiert, was ein Merkmal der Grazer Architektur zu sein scheint.
In vertikalen Fensterteilungen, dominierenden horizontalen Streifen
und hellen grundlegenden
Farben macht sich die Rückkehr zu den Wurzeln der Moderne, der Bauhaustradition
und Le Corbusier bemerkbar. Struktur, Konstruktion und technologische
Realität, wie eiserne Treppenhäuser, Glaslifte und mit rostfreiem Stahl
verkleidete Rauchfänge, üben die Rolle eines Ornaments aus. Zweifelsohne
ist das für spätmoderne Versuche charakteristisch und oft von der Ästhetik
der Neomoderne angewendet. Kada nähert sich in seinem Projekt der Schiff-Metapher
von Le Corbusier. Im WIST-Haus kommen gleichzeitig Motive von gegenwärtiger
Provenienz wie Dekomposition des Grundrisses und den dekonstruktivistischen
Prinzipien nahe stehende Gestaltung mancher Details vor.
Das pluralistische Konzept der Grazer Schule beinhaltet sowohl die malerische
Architektur von Kada als auch die minimalistischen Gebäude des Duos
Florian Riegler und Roger Riewe. Ein Beispiel stellt der Komplex von
elf Einfamilienhäusern, genannt Casa Nostra, dar, das am Stadtrand von
Graz in Waltendorf errichtet wurde . Die Architekten wendeten hier eine
sparsame Zeichensprache an. Die Siedlungsarchitektur wird durch euklidische
Geometrie, orthogonale Lösungen, Anwendung von einfachen Baumaterialien
und eine harmoniereiche, getönte Farbenpalette von grau bis blau charakterisiert.
Auf diese Art und Weise entsteht die Architektur des neuen Minimalismus,
die so treffend von Marcel Meili beschrieben wurde als eine Architektur,
die ihre ursprüngliche Klarheit wiedergewinnt und zu sehen ermöglicht,
was zwischen dem Bauwerk und der Erde, zwischen Verbindungselementen
der Bauwerke, zwischen Licht und Texturwahrnehmung geschieht .
Die Einfamilienhäuser des Casa Nostra -Komplexes wurden so entworfen,
um den Bewohnern eine maximal pluralistische Möglichkeit der Einrichtung
von kleinen Wohnflächen zu bieten. Dies konnte dank der Reduzierung
von Fixpunkten im Gebäude erreicht werden. Sanitäre- und Küchenblocks
wurden samt den notwendigen technischen Leitungen linear an der das
Treppenhaus tragenden Konstruktionswand installiert. Es ist das einzige
fixe Element im Haus, das eine intensive und mannigfaltige Nutzung der
Wohnfläche ermöglicht. In Übereinstimmung mit ideellen Grundlagen des
Minimalismus der Grazer Architekturschule verbreitet diese Architektur
kein von vornherein geplantes Lebensmodell, sondern bietet eine funktional
neutrale Fläche.
Das Phänomen der Grazer Architekturschule
Die Entstehung der originellen Architekturkonzeption in Graz (Grazer
Schule) schreibt man den strategischen Entscheidungen und einer Investitionspolitik
zu, die in der Förderung der kreativen Architektur eine Chance für diese
Region sah .
1974 wurde von den Anhängern der gegenwärtigen Architektur eine unabhängige
Plattform gegründet und Modell Steiermark genannt. Sie setzte sich zum
Ziel, die Raumqualität des Wohnungsbaus zu verbessern. Der in der Steirischen
Landesregierung für den Wohnungsbau verantwortliche Landesrat förderte
die Initiative und unterstützte sie auch finanziell. Versuchsweise stellte
er dem Modell Steiermark öffentliche Fondsmittel zur Verfügung. Das
Geld stammte aus dem zweijährigen Programm zur Unterstützung des Wohnungsbaus.
Das ermöglichte den Bau von ca. 200 Wohnungen. Bei der Wahl des Projektantenteams
entschied sich die "Plattform" für die schon auf dem Gebiet
des öffentlichen Baus erprobte Prozedur: es wurde im offenen Wettbewerb
gewählt. Beim Entwurf der Baupläne wurden auch die Erwartungen der künftigen
Bewohner berücksichtigt, die nach ihren Vorstellungen von einer Idealwohnung
gefragt wurden. Die "Plattform" hat insgesamt sieben Wettbewerbe
ausgeschrieben, deren Ergebnisse vielversprechend waren. In den Wettbewerbsentscheidungen
wurde davon ausgegangen, die
sowohl ökonomische Begründung der Vorschläge als auch ihren künstlerischen
Wert zu berücksichtigen.
Zum organisatorischen Mittelpunkt der Grazer Bewegung für die moderne
Architektur wurde das Haus der Architektur. Bei seiner Errichtung beteiligten
sich die schöpferischen Architekten, Persönlichkeiten des öffentlichen
Lebens und Institutionen. Dank des guten Investitionsklimas bildete
sich in der Steiermark eine einzigartige architektonische Kultur, die
in der Welt einen besonderen Ruf genoss und Grazer Schule genannt wurde.
Die Steiermark wurde zum Zentrum der modernen Architektur von internationaler
Bedeutung. Heutzutage rühmen sich sogar kleinere steirische Städte u.a.
Mautern, Bruck a/d Mur, Voitsberg, Stainach, Aigen im Ennstal ihre progressive
Architektur zu haben. Die modernen Gebäude ziehen die Touristen an und
aktivieren die Investitionspolitik, was ein wichtiges Argument dieses
Bundeslandes ist.
Krakauer Architekturszene
Das Krakauer Konzept der Wohnbauarchitektur wendet sich in den letzten
Jahren der Entdeckung der neuen Baumaterialien zu, wo die, in ihrer
Einfachheit raffinierten Baustoffe, die Funktion der gegenwärtigen Dekoration
übernehmen. Die formale Suche der Krakauer Schule der Wohnbauarchitektur
ist mit der sparsamen Ästhetik der getönten Klinkerziegel und des Rohbetons
verbunden. Als Sonnenschutz verwendet man brise-soleil - Jalousien der
deutschen Firma NBK Keramik, dieselben, die man bei der Bebauung des
prestigeträchtigen Potsdamer Platzes in Berlin nach dem Projekt von
Renzo Piano anwendete. Beim Wohn- und Pensionsgebäude in Konstancin,
in der ¦rodkowa Straße, verwendeten die Krakauer Architekten Rafa³ Barycz
und Pawe³ Saramowicz den Rohbeton (Abb. 5). Es ist der klassische beton
brut nach Le Corbusier, der sagte, dass der Stahlbeton die Eigenschaften
des natürlichen Materials derselben Rangklasse wie Holz oder Terrakotta
besitzt, als ob er wiederhergestellter Stein wäre, der wert ist, ihn
in seinem natürlichen Zustand festzuhalten . Das ist das anziehende
Zukunftsmaterial, bekannt aus den Bauwerken solcher Meister der Architektur
wie der Japaner Tadao Ando oder der in Graz wirkende Günther Domenig,
der in dieser Technologie in Steindorf (Kärnten) sein Eigenhaus mit
Atelier, das sog. Steinhaus gebaut hat .
Die ausgefallene Eleganz des Wohn- und Pensionsgebäudes mit Hallenbad
in Konstancin wurde nicht durch Vermehren von Verzierungen, sondern
mit Askese und Minimalismus, mit dem Spiel von Flächen in abstrakten
Konfigurationen erreicht. Dieses Objekt wurde von Barycz und Saramowicz
im immer modischen und überzeitlichen Stil des Minimalismus entworfen.
Man hat hier mutige Räume und den architektonischen Sichtbeton mit relativ
regulärer Musterung und Abdruck der Schalung eingesetzt, so schrieb
Magdalena Musialik-Furdyna. Sie fügte hinzu, dass der Minimalismus dieses
Gebäudes, der seine Wurzel in der Moderne hat, ein bescheidenes, aber
voll raffinierter Eleganz ausgestattetes Objekt gestaltet hat, das zur
Visitenkarte der Architekten wurde .
Die Schlüsselfrage bei der Krakauer Wohnbauarchitektur scheint folgende
zu sein: die Suche nach einer solchen Form des Gebäudes, die eine Synthese
bilden würde und zwar zwischen dem Inneren und dem äußeren Umfeld, und
die es ermöglichte, die Verbindung zwischen den Bewohnern und der Natur
herauszustellen. Die Wohnobjekte nehmen eine einräumige offene Gestalt
an mit großen einstöckigen Verglasungen; die Gebäude umgeben Terrassen
auf verschiedenen Höhen. In der Villa in Gdów bei Krakau (in der M³yñska
Straße), die später vom Verein der Polnischen Architekten mit einem
Preis für den Entwurf des Jahres ausgezeichnet wurde , umgeben die Architekten
aus dem Büro Barycz und Saramowicz das Erdgeschoss mit Übergängen und
gestuften Terrassen, denen man verschiedene Funktionen zugeschrieben
hat. Die größte von ihnen, die zum Salon gehört, fungiert als eine repräsentative
Terrasse, die zweite benachbarte, bedacht mit steinerner Pergola, bildet
eine Art Sommerspeiseraum. Die Terrassen und Balkone umringen das Stockwerk,
sie befinden sich auch auf dem Dach. Von ihnen und aus den riesigen
Fenstern kann man die Schönheit der das Haus umgebenden Landschaft vom
Krakauer Vorgebirge genießen . Gleichzeitig entsteht aus diesen funktionsrelevanten
Bauelementen die plastische und individuelle Schönheit des Gebäudes,
wo die Vielfalt von Balkonen und Terrassen, auch die Dachterrasse, den
starken Ausdruck des einfachen Gebäudeblocks bestimmt (Abb. 6).
Schlussfolgerungen
Die Wohnbauarchitektur ist eine besondere Art des künstlerischen Schaffens,
denn sie ist dem Menschen am nächsten, weil sie für sein Leben und seine
psychophysische Entwicklung den Rahmen bildet. In der progressiven Wiener,
Grazer und Krakauer Architektur wird das Desiderat der Verbesserung
der Wohnumgebung mit ähnlichen Mitteln realisiert. Es tritt die Tendenz
zur Konsolidierung des Raumes in der Wohnung auf, die in den besonders
avantgardistischen Grazer Konzepten, wo die Funktion des Schlafes in
den homogenen Raum eingeschlossen wurde, die Form eines offenen Grundrisses
annimmt. Man wählt solche Entwurfsmethoden, die die Verbindung der Wohnung
mit der Aussenwelt durch den Bau von Balkonen brauchbarer Breite, Loggien,
Terrassen oder porte-fenìtre in bescheidenen Gebäuden anstreben.
Das übergeordnete Ziel der architektonischen Ideen in den beschriebenen
Gebieten ist das Entwerfen von Bauwerken, die die Menschen gegenseitig
verbinden und ihnen helfen, sowohl die lokale Gesellschaft zu bilden
als auch nachbarschaftliche Kontakte zu schaffen. Dieses Ziel verwirklicht
sich durch die Einschränkung der Größe von Mehrfamilienhäusern, ihre
Segmentierung und eine entsprechende Gestaltung der Kommunikationsflächen.
In der Krakauer Wohnbauplanung wäre deswegen anzustreben, dem Beispiel
von Wien und Graz folgend, die galerieartigen Bauten, die die nachbarschaftlichen
Kontakte fördern, im größeren Ausmaß zu verwenden.
Die architektonische Sprache der Grazer Schule scheint im Vergleich
zur Wiener oder Krakauer Schule vielfältiger und malerischer zu sein.
Die formalen Untersuchungen in den besprochenen Bereichen stehen im
Zusammenhang mit der Entdeckung der ästhetischen Möglichkeiten, die
sich aus den progressiven Technologien ergeben. Wenn der Schwerpunkt
der Wiener Wohnarchitektur in der Verwendung der mobilen Fassadenelemente
und schöpferischer Anwendung der großformatigen Glasflächen liegt, verwendet
man in Graz und Krakau mehr traditionelle Baustoffe. Die Einführung
von mobilen Trennwänden bietet die Möglichkeit dauerhafter Beteiligung
der Bewohner an der Gestaltung der eigenen Wohnumgebung. Diese Partizipation
betrachtet der Autor dieses Beitrags als Hauptaufgabe des Krakauer Wohnbaus.
Lobenswert sind Grazer Bestrebungen, die zeitgenössische Architektur
zum wichtigen Element der Stadtkultur zu machen. Die Verbesserung der
Raumqualität in der Stadt und die Steigerung der Investitionstätigkeit
sind die logischen Folgen dieser Bemühungen.
Das Wirken der Wiener, Grazer und Krakauer Architekturschulen ist zwar
vielseitig und facettenreich, hält jedoch gemeinsame Richtlinien ein.
In den errichteten Bauwerken gehen sie auf die Bedürfnisse der Menschen
ein und versuchen, die Schönheit, die der Schimmer der Wahrheit ist,
zu entdecken, wie es der hl. Augustinus gesagt hat.
Abbildungsverzeichnis:
1. Mehrfamilienwohnhaus, Wien XXI, Brünnerstraße. Proj. Helmut Wimmer,
Eva Reichl.
2. Wohnhaus, Wien, Ecke Frauenfelderstraße und Kainzgasse XVII. Proj.
Dieter Henke, Martha Schreieck
3. Wohnanlage, Wien, Brunnerstraße XXIII. Proj. Helmut Richter.
4. Studentenheim, Graz, Wienerstraße. Proj. Klaus Kada.
5. Pension- und Wohnhaus, Konstancin. Proj. Rafa³ Barycz, Pawe³ Saramowicz.
6. Villa, Gdów bei Krakau, M³yñska Straße. Proj. Rafa³ Barycz, Pawe³
Saramowicz.
Rafa³ BARYCZ